Stress und Emotionen managen

Trauma und Selbstregulation des Nervensystems

Traumata hinterlassen oft bleibende Spuren – nicht nur in unserem Geist, sondern auch tief in unserem Nervensystem. Wenn wir mit emotionaler Überforderung, Angst oder körperlichen Stress-Symptomen zu tun haben, könnte es sein, dass der Körper seinen natürlichen Erholungsprozess nicht abschließen konnte. Die Selbstregulation, also die Fähigkeit des Körpers, nach Stress wieder ins Gleichgewicht zu kommen, kann durch traumatische Erlebnisse beeinträchtigt werden..

Erfahren Sie, wie ein Trauma Ihre Fähigkeit zur Selbstregulierung beeinträchtigt und wie eine körperorientierte Psychotherapie dazu beitragen kann, diese Fähigkeit wiederherzustellen.

Ein Zen-Garten kann die beruhigende Wirkung der Regulierung des Nervensystems symbolisieren – Gelassenheit in strukturierter Form.

Selbstregulation – Überblick

Selbstregulation ist umfasst die Fähigkeiten, mit denen Menschen die Aktivierung ihres Nervensystems regulieren. Es geht weniger darum, sich zu beruhigen und entspannen, sondern darum, die richtige Balance zwischen Aktivierung und Entspannung zu finden. Idealerweise erfolgt diese Selbstregulation unbewusst und automatisch.

Das Nervensystem reagiert unbewusst auf die emotionalen Auswirkungen der Lebensanforderungen. Im Idealfall ermöglicht uns dies, schwierige Situationen mit großer Aufmerksamkeit zu meistern und uns anschließend zu erholen. Wir können angemessen auf äußeren oder sozialen Stress reagieren.

Zum Gleichgewicht des Nervensystems gehört insbesondere das autonome Nervensystem. Das autonome Nervensystem unterliegt nicht der bewussten Kontrolle. Es steuert Funktionen wie Herzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität (HRV), Blutdruck, Körpertemperatur, aber insbesondere auch die Atmung (Atemfrequenz und Atemtiefe).

Ursachen mangelnder Selbstregulation

Trauma und der Verlust der Fähigkeit zur Selbstregulation

Vielleicht ist es andauernder höherer Stress im Alltag, der uns über längere Zeit verunmöglicht, zurück ins Gleichgewicht zu kommen. Zusätzlich können einschneidende Erlebnisse (Schocks / Trauma) dazu führen, dass wir aus der Balance geraten. In diesen Fällen gerät unser Nervensystem aus der Balance:

  • Unverarbeitete belastende Ereignisse (Schock- und Entwicklungsttrauma) können nachwirken und den Körper im Zustand übertriebener Aktivierung, Aufmerksamkeit und Wachsamkeit halten.
  • Langanhaltende Belastungen bzw. Stress beruflicher oder privater Natur können den Körper und Nervensystem durch einen andauernden Flucht- bzw. Kampfmodus aus der Balance bringen.

Unsere eingeübten Mechanismen sind in diesen Fällen nicht mehr ausreichend, um uns selbst zu regulieren. Dann zeigt sich auch, dass wir manche elementare Techniken der Selbstregulation gar nicht erst erlernt hatten – vielleicht weil wir sie nicht brauchten oder uns passende Vorbilder fehlten.

Zusätzlich stehen in unserer modernen Welt viele körperliche und soziale Mechanismen der Stressregulation im Außen nicht ausreichend zur Verfügung. Eine körperliche Lösung des Flucht- bzw. Kampfreflexes steht im Büroalltag nicht zur Verfügung. Oft habe ich auch kein Gegenüber mit dem ich einen Konflikt besprechen kann. Email und Messenger oder soziale Netzwerke sind reduziert auf Informationsaustausch – der wichtige persönliche Kontakt, der Sicherheit in Auseinandersetzungen geben kann, fehlt in diesen Medien. Zudem ist für klärende Gespräche oder Treffen oft gar keine Zeit.

Selbstregulation ist umso wichtiger, wenn Stress nicht durch unterstützenden sozialen Kontakt gelöst werden kann

Beispiele: Wie Trauma Selbst-Regulation beeinträchtigen kann

Szenario: Eine Frau wurde auf dem nächtlichen Heimweg Opfer eines gewalttätigen Angriffs durch einen Fremden. Der Vorfall war plötzlich, körperlich bedrohlich und ereignete sich in einer Umgebung, in der sie sich zuvor sicher gefühlt hatte.

Beeinträchtigung der Selbstregulation – PTBS-Symptome, die sich nach dem Trauma entwickeln

  • Wiederkehrende Albträume vom Ereignis – beeinträchtigen die Schlafqualität und führen zu Einschlaf- oder Durchschlafschwierigkeiten
  • Rückzug von sozialen Veranstaltungen aus Angst, abends auszugehen
  • Vermeidung von Orten, die mit oder in der Nähe verbunden sind das Ereignis.
  • Manchmal scheinbar grundlos (oder mit nur sehr geringem Auslöser) emotionale Verstimmung, einschließlich Weinen und allgemeiner Sensibilität.
  • Erhöhte Nervosität – leicht zu erschrecken.
  • Konzentrationsschwierigkeiten bei der Arbeit.

Klinische Interpretation / Arbeitshypothese:

  • Die Person zeigt Anzeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), die auf ein nicht verarbeitete Schocktrauma des gewalttätigen Angriffs zurückzuführen sein könnten.
  • Das traumatische Ereignis scheint ihr Nervensystem überfordert zu haben, und ohne zeitnahme, sichere zwischenmenschliche Unterstützung konnte das Erlebnis nicht ausreichend verarbeitet werden.
  • Infolgedessen zeigt sie Symptome einer autonomen Dysregulation. Dazu gehören Zustände der Übererregung (z. B. Angst, Nervosität, emotionale Überforderung) und Untererregung (z. B. Rückzug, Vermeidung, emotionale Abstumpfung), was darauf hindeutet, dass sich ihr Toleranzfenster verengt hat. Diese beeinträchtigte Selbstregulation beeinträchtigt ihre emotionale Belastbarkeit und ihre Fähigkeit, geerdet mit der Welt umzugehen.
  • Infolgedessen hat sich eine chronische autonome Dysregulation eingestellt. Sie erlebt häufig Zustände von Übererregung (z. B. Angst, Nervosität, emotionale Überforderung) und Untererregung (z. B. Rückzug, Vermeidung, emotionale Abstumpfung). Dies deutet darauf hin, dass sich ihr Toleranzfenster verengt hat. Diese Schwiegkeiten bei der Selbstregulation beeinträchtigen ihre emotionale und berufliche Belastbarkeit.

(Hinweis: Diese Fallstudie wurde anonymisiert und alle relevanten Details wurden verändert.)

Szenario: Ein Mann erlitt in seinem zweiten Lebensjahr aufgrund eines längeren Krankenhausaufenthalts (Operation) eine Bindungsunterbrechung. Damals (in den 1970er Jahren) erlaubten die Krankenhausrichtlinien keine Anwesenheit der Eltern, was zu einer längeren Trennung von den primären Bezugspersonen – insbesondere der Mutter – während einer kritischen Phase der Entwicklung führte.

Symptome: Beeinträchtigung der Selbstregulation – komplexe posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) – Symptome, die sich im frühen Erwachsenenalter entwickelten und bis ins spätere Leben anhielten.

  • Starke Reaktion auf Situationen, in denen man sich vom Partner im Stich gelassen fühlt – intensive Angstgefühle/Weinausbrüche, wenn der Partner emotional oder körperlich nicht erreichbar ist.
  • Angst vor einer neuen Partnerschaft – Angst, erneut verlassen zu werden
  • Angst vor Zurückweisung
  • Schamgefühle in der Partnerschaft („Ich bin nicht gut genug für meinen Partner“) und Schuldgefühle („Dieser Konflikt ist meine Schuld“)
  • Überlastung als Folge des Versuchs, den eigenen Wert durch Leistung und Leistung zu beweisen.
  • Körperliche Symptome: Engegefühl in der Brust (verbunden mit Einsamkeitsgefühlen) und Bauchschmerzen (verbunden mit Leistungsdruck).

Interpretation:

  • Obwohl die Symptome erst später im Leben auftraten, können sie mit einem Entwicklungstrauma infolge eines frühen Bindungsbruchs zusammenhängen. Die betroffene Person hat wahrscheinlich in einer wichtigen Entwicklungsphase die Ko-Regulation verpasst, was den Aufbau sicherer Beziehungen erschwert. Dies kann zu einem eher desorganisierten Bindungsstil geführt haben, der sowohl Vermeidung als auch Angst vor dem Verlassenwerden in engen Beziehungen beinhaltet.
  • Infolgedessen weist er typische Merkmale einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (KPTBS) auf, darunter Beziehungsdysregulation, anhaltende Scham und ein zerstörtes Selbstwertgefühl. Sein Nervensystem reagiert hochempfindlich auf Signale einer Beziehungsunterbrechung und löst selbst in objektiv wenig bedrohlichen Situationen tief verwurzelte Zusammenbruchsreaktionen aus.
  • Seine Bewältigungsstrategie – Übererfüllung – beruht im Wesentlichen darauf, in den Kampfmodus zu wechseln. Dies dient einem doppelten Zweck: durch Leistung Anerkennung und Verbundenheit zu suchen und den Schmerz der Verletzlichkeit zu vermeiden. Diese Strategie ist jedoch letztlich unhaltbar und verstärkt den Kreislauf aus internalisierter Scham und emotionaler Erschöpfung.

(Hinweis: Diese Fallstudie wurde anonymisiert und alle relevanten Details wurden verändert.)

Symptome eines dysregulierten Nervensystems

Traumaerfahrungen wirken sich auf jeden Menschen unterschiedlich aus, und oft sind seine Folgen nicht sofort erkennbar. Bei vielen treten die Symptome eines Traumas schleichend im Laufe der Zeit auf, da das Nervensystem in Überlebenszuständen gefangen bleibt – lange nachdem die Gefahr vorüber ist.

Wenn der Körper Schwierigkeiten hat, zur Ruhe zu kommen, erleben wir körperliche oder emotionale Dysregulation. Das bedeutet, dass das Nervensystem nicht in der Lage ist, Stress effektiv zu bewältigen. Symptomen können sich auf das tägliche Leben, Beziehungen und die körperliche Gesundheit auswirken.

Mangelnde Selbstregulation kann eine Vielzahl unterschiedlicher körperlicher und emotionaler Symptome verursachen:

  • Schlafstörungen: Traumata beeinträchtigen oft die Erholungsfähigkeit des Körpers. Dazu gehören Einschlafschwierigkeiten, frühes Aufwachen und mangelnde Erholung tagsüber. Weitere Symptome wie Schlaflosigkeit, Albträume, nächtliches Zähneknirschen oder Kieferpressen (Bruxismus) oder panisches Aufwachen können Anzeichen für ungelöste Spannungen im Nervensystem sein.
  • Schmerzen und Verspannungen: Traumata können die Muskulatur beeinträchtigen. Insbesondere chronische Verspannungen in Bereichen wie Kiefer, Schläfen, Schultern oder Rücken können auftreten. Dies kann die Ursache für unerklärliche Schmerzen, Muskelverspannungen, Rücken- oder Nackenschmerzen sein. Ebenfalls können Kopfschmerzen oder Migräne durch ein Nervensystem in erhöhtem Alarmzustand verursacht werden.
  • Dysregulation des Nervensystems: Symptome eines dysregulierten autonomen Nervensystems sind: zu hoher oder zu niedriger Blutdruck, Schwitzen, Hitze- oder Kältegefühl, Atembeschwerden, chronische Müdigkeit oder Erschöpfung.
  • Andere somatische Symptome einer Dysregulation des Nervensystems: Die Auswirkungen können sich in anderen körperlichen Symptomen äußern. Dazu gehören z.B. Symptome wie Appetitlosigkeit, Magen-Darm-Probleme, Verdauungsprobleme (z. B. Reizdarmsyndrom, Übelkeit) oder ein ständiges Gefühl von Anspannung und Stress.
  • Emotionale und psychische Symptome: Symptome können sich in Form von anhaltender Angst, Panikattacken, unvorhersehbaren Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit oder Aggressivität äußern. Betroffene können Depressionen, emotionale Taubheit oder ein Gefühl der Trennung von sich selbst oder anderen erleben. Konzentrationsschwierigkeiten und Überforderungsgefühl bei Alltagsaufgaben sind ebenfalls mögliche symptome.

Die oben genannten Symptome können darauf hin deuten, dass das Nervensystem möglicherweise von einer Dysregulation betroffen ist. Diese Dysregulation kann auf ein psychisches Trauma zurückzuführen sein – beispielsweise eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder ein Kindheitstrauma.

Chronische Stresssymptome sind Indikatoren dafür, dass das Nervensystem Unterstützung benötigt. Psychotherapie kann Selbstregulation und die Bewältigung von Stresssymptomen und post-traumatischem Stress unterstützen.

Ansätze zur Selbstregulierung

Ziele der Selbstregulation

Bei der Selbstregulation geht es zunächst darum, Stress abzubauen, um Körper und Nervensystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Dies umfasst sowohl die Auflösung posttraumatischer Belastungen als auch die Auflösung aktueller Alltagsbelastungen. Außerdem geht es um das Erlernen von Techniken, mit denen ich gut mit dem Stress des Alltags umgehen kann und mit unseren Auslösern für höheren Stress umgehe.

Die Stärkung der Selbstregulationsfähigkeit bringt Körper und Geist wieder in Balance. Dies kann positive Auswirkungen auf Symptome eines überaktivierten Nervensystems haben. Therapeutische Ansätze zur Stärkung der Selbstregulation sind z.B. Somatic Experiencing®  und Bodynamic® .

Oft ist die Verringerung von Symptomen Anlass dafür, therapeutische Unterstützung zu suchen. Derartige Effekte stellen einen Zusatznutzen da, welcher langfristiges Anwenden von Techniken der Selbstregulation erfordert. Da kein direkter Zusammenhang besteht, kann die Besserung der Symptome nicht garantiert werden.

Das Erlernen von Selbstregulation mit therapeutischer Unterstützung ist Hilfe zur Selbsthilfe, um Körper und Geist wieder in Gleichgewicht zu bringen.

Somatic Experiencing® – Verarbeitung von post-traumatischem Stress

Somatic Experiencing ist darauf ausgerichtet, die natürliche Selbstregulation im autonomen Nervensystem zu stärken und posttraumatische Stresszustände zu lösen.

Ziel ist es, mit Hilfe therapeutischer Begleitung (Co-Regulation) das Nervensystem zu beruhigen und gespeicherte traumatische Erregungszustände zu entladen und schwierige Emotionen zu lösen.  In der Folge, kann der Organismus auf Reize im Hier und Heute wieder angemessener reagieren. Durch diese Arbeit mit dem Nervensystem kann der Körper den natürlichen Rhythmus von Anspannung und Entspannung wieder besser selbst regulieren.

Dazu werden gut organisierte Aspekte des Erlebens und Verhaltens gestärkt. Zusätzlich werden Schritt für Schritt weniger gut organisierte Aspekte des Erlebens und wieder in Balance bringen.

Die Somatic Experiencing Methodik:

  • Das Bewusstsein für körperliche Vorgänge wird geschaffen und eingeübt.
  • Das Spürbewusstsein wird vertieft.
  • Aufkommende Emotionen und körperliche Erregungszustände werden sanft verarbeitet
  • Verarbeitung und Entladung von traumatischem Stress durch Titrierung und Pendulierung

Dieser Ansatz ist aufgrund seines achtsamen Vorgehens besonders geeignet, dabei zu unterstützen, das Nervensystem aus der Dysregulation nach traumatischen Ereignissen wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Eine Psychotherapie mit Somatic Experiencing kann die Selbstregulation durch die sanfte und achtsame Entladung traumatischer Belastungen unterstützen.

Bodynamic® – Aufbau von Kompetenzen durch psychotherapeutische Arbeit mit dem Muskelsystem

Bodynamic ist darauf ausgerichtet, die Kompetenz zur natürliche Selbstregulation durch Aufbau von elementaren Ich-Funktionen zu stärken.

Bodynamic-Coaching und Therapie zielt darauf ab, mit Hilfe psychotherapeutischer Begleitung (Co-Regulation) muskuläre Spannungszustände zu flexibilisieren und Muskeln aufzuwecken.  In der Folge, kann das Individuum wieder aktiver seine sozialen Kontakte gestalten und flexibler reagieren. Durch diese Arbeit mit dem muskulären System kann der Körper den natürlichen Rhythmus von Anspannung und Entspannung wieder besser selbst regulieren.

Damit wird es möglich, psychologische Abwehrmechanismen als Ressourcen begreifen, zusätzliche Kompetenzen aufbauen und einzuüben und die körperlichen Kompetenzen flexibel einsetzen zu können.

Die Bodynamic Methodik:

  • Das Bewusstsein für Verkörperung und Bewegung im Kontakt wird geschaffen und eingeübt.
  • Das Spürbewusstsein wird vertieft.
  • Aufkommende Emotionen und körperliche Erregungszustände werden sanft verarbeitet
  • Eigene Bedürfnisse und Impulse werden gespürt und zum Ausdruck gebracht.
  • Muskelspannungsmuster werden begegnet und können sich lösen, Muskelaufgabemuster werden sanft unterstützt und können dadurch ein Stück aufwachen.
  • Spezifische Muskelübungen, um psychologische Funktionen über das Muskelsystem zu aktivieren

Bodynamic Psychotherapie kann die Selbstregulation verbessern, indem somatische Ressourcen ins Bewusstsein gebracht und aufgebaut werden.