Psychotherapie-Ansätze

Warum arbeitet die Körper-Psychotherapie bottom-up?

Während sich traditionelle psychotherapeutische Methoden – insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie – häufig auf Denkmuster, Bewertungen und bewusste Entscheidungen konzentrieren, verfolgt die körperorientierte Traumatherapie einen anderen Ansatz: Sie spricht die körperlichen Manifestationen des Traumas an. – Die Arbeit mit dem Körper kann Themen adressieren, bei denen der verbale Ansatz nicht weiterkommt. Dieser Ansatz wird in der Psychotherapie oft als „Bottom-up“ bezeichnet.

Dieser Artikel vergleicht die Unterschiede zwischen Bottom-up- und Top-down-Ansätzen in der Psychotherapie.

Bottom-up Therapie vs Top-down-therapie - Methoden der Körperpsychotherapie

Bottom-up vs. Top-Down in der Psychotherapie

Top-down: Arbeit mit Gedanken, Bedeutungen und Bewertungen

Top-down-orientierte Verfahren setzen an den bewussten, kognitiven Prozessen an. Das bedeutet, dass Patienten ihre Erfahrungen reflektieren, einordnen und neue Sichtweisen entwickeln sollen. Diese Verfahren können sehr hilfreich sein, wenn es darum geht, dysfunktionale Denkmuster zu erkennen, neue Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln oder das Selbstbild zu stärken.

  • Das Top-down-Vorgehen findet insbesondere in der kognitiven Verhaltenstherapie Anwendung
  • Dies ist dann produktiv, wenn nur eine geringe bzw. moderate emotionale Ladung vorhanden ist. n diesem Fall ist das Großhirn bzw. der präfrontale Cortex aktiv und in gewissem Maße flexibel, sodass Veränderungen angenommen werden können.

Allerdings stoßen Top-down-Methoden bei schweren Traumata (PTBS) oder frühkindlicher Traumatisierung oft an ihre Grenzen. Viele Betroffene berichten beispielsweise, dass sie „die Vergangenheit schon durchgesprochen“ haben und „die Zusammenhänge verstehen“. Trotzdem fühlen sie sich nicht besser. Dies zeigt, dass Einsicht allein oft nicht ausreicht, um tiefsitzende Muster nachhaltig zu verändern.

Kognitive Methoden stoßen bei Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) oder frühkindlichen Traumatisierungen an ihre Grenzen.

Bottom-up: Zugang über Körperempfindungen, Affekte und Impulse

Frühkindliche Erinnerungen sind oft nicht sprachlich erinnerbar, da sie in einem Entwicklungszeitraum gemacht wurden, in dem das Kind noch keine ausreichenden sprachlichen oder kognitiven Fähigkeiten hatte. Auch bei Schock-Ereignissen ist das Gedächtnis oft bruchstückhaft. Gleichzeitig bleibt das Erleben im Körper gespeichert.

Daher gehen körperorientierten Traumatherapien „bottom-up“ vor. D.h. es werden gezielt körperliche Empfindungen, Bewegungen und vegetative Reaktionen genutzt, um einen neuen Zugang zum eigenen Erleben zu bekommen.

Das Bottom-up-Vorgehen kann in der Psychotherapie produktiv sein, da es neue Erfahrungen ermöglicht. Durch bewusste Arbeit mit Körperhaltung, Atmung, Muskeltonus oder Bewegungsimpulsen werden unbewusste Reaktionen und Muster sichtbar und können schrittweise verändert werden.

  • Das Bottom-up-Vorgehen findet insbesondere in der körperorientierten Verfahren der Trauma-Psychotherapie Anwendung. Methoden wie Somatic Experiencing (SE), Bodynamic, Sensorimotor Psychotherapy oder auch Elemente der Tanz- und Bewegungstherapie arbeiten auf dieser Grundlage.
  • Gerade, wenn ein Thema emotional aufgeladen ist, ist die Bottom-Up-Vorgehensweise oft erfolgversprechender: Es ist dann einfacher mit der Körperwahrnehmung zu beginnen. Anschließend können Konzepte und Gedanken ebenfalls leichter verändert werden.

Das Ziel der Körper-Psychotherapie ist nicht, das Trauma „neu zu erzählen“, sondern es anders zu verarbeiten – insbesondere im autonomen Nervensystem. Dadurch kann Selbstregulation unterstützt und die emotionale Verarbeitungskapazität erhöht werden. Zudem können im Körper gespeicherte Traumaenergien schonend entladen werden.

Das Ziel der Körper-Psychotherapie ist, vergangene Trauma über den Körper zu verarbeiten.

Verarbeitung von Informationen im Gehirn

Bei der Verarbeitung von Informationen im Gehirn unterscheidet man Top-Down-Prozesse und Bottom-up Prozesse.

  • Die Top-Down-Verarbeitung geht aus vom bewussten Denken, d.h. von Erwartungen, Annahmen, Konzepten, Glaubenssätze. Gedanken beeinflussen die Interpretation der Wahrnehmung.
  • Die Bottom-up-Verarbeitung basiert hingegen auf sinnlichen Informationen aus dem Körper und der Umwelt in der Gegenwart. Diese Informationen und dieses Erleben sind oft vorsprachlich und vorbewusst.
Top-down-Vorgehen der Psychotherapie vs. Bottom-up-Vorgehen der Körperpsychotherapie
Top-down-Vorgehen der Psychotherapie vs. Bottom-up-Vorgehen der Körperpsychotherapie

Diese unterschiedlichen Verarbeitungsprozesse im Gehirn können in der Psychotherapie durch unterschiedliche Verfahren angesprochen werden.

Vergleich: Bottom-up vs. Top-down-Vorgehen in der Psychotherapie

Top-Down-Vorgehen

Top-down Wahrnehmungsprozesse

  • Wahrnehmungen werden durch kognitive Prozesse gefiltert und beeinflußt
  • Konzepte, Annahmen, Erwartungen, Glaubenssätze beeinflussen die Wahrnehmung
  • Vergangene Erfahrungen beeinflussen die Wahrnehmung in der Gegenwart – Erwartungen werden bestätigt

Bedeutung für die Psychotherapie

  • Kognitives Einsicht ist oft der erste Schritt, um sich auf Veränderungen einzulassen
  • Ein Teil der Überzeugungen ist kognitiver Veränderung nicht zugänglich
  • Unbewusste Widerstände erschweren Veränderung, insbesondere bei emotional aufgeladenen Themen
Kognitive Verhaltenstherapie

Bottom-up-Vorgehen

Bottom-up Wahrnehmungsprozesse

  • Ungefilterte Aufnahme von sinnlichen Informationen (aus dem Körper und der Umwelt)
  • In der empirischen Realität begründet, ungefiltert durch gedankliche Vorstellungen
  • Die Realität in der Gegenwart beeinflusst die Wahrnehmung in der Gegenwart

Bedeutung für die Psychotherapie

  • Ermöglicht neue Erfahrungen in der Gegenwart – unabhängig von alten Konzepten
  • Emotional aufgeladene Themen können Schritt für Schritt verarbeitet werden
  • Therapeutische Arbeit sollte in kognitives Verständnis eingebettet werden.

Fazit – Kombination beider Ansätze

Beide Perspektiven haben Ihren Wert. Ein kognitiver Zugang (top-down) kann wichtig im Psychotherapieprozess sein, um zunächst Struktur und Orientierung für das aktuelle Leben zu finden. Körperorientierte Verfahren (bottom-up) können oft erst genutzt werden, nachdem bereits eine grundlegende Stabilisierung erfolgt ist. Erst auf einer sicheren Basis können tieferliegende Prozesse angestoßen werden.

Durch die Unterstützung von Bottom-up-Verarbeitung in der körperorientierten Psychotherapie ist es möglich, im Körper im Hier-und-Jetzt Veränderungen anzustoßen, die ansonsten dem Bewusstsein schwer zugänglich wären. Durch die Veränderung des Erlebens werden traumatische Energien schonend entladen. Dies ermöglicht einen neuen Blick auf traumatische Erleben zu bekommen, so dass dann auch die kognitive Einordnung oft leichter fällt.

Gerade bei komplexen Traumata ist oft eine Kombination von kognitiven und körperorientierten Verfahren erforderlich, um nachhaltige Veränderung zu ermöglichen.

Volker Dammann
Autor: Volker Dammann
Aktualisiert: 2. Aug. 2025

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