Selbstmanagement

Wie kann ich lernen, Emotionen zu verarbeiten und loszulassen?

Emotionen beeinflussen unsere Gedanken, unser Verhalten und unsere Interaktionen mit anderen. Der gute Umgang mit Emotionen trägt zu einem ausgeglicheneren und erfüllteren Leben bei. Wenn Sie lernen, ihre Emotionen wahrzunehmen und zu beobachten, können Sie unangenehme Emotionen transformieren und Emotionen in positive Handlungsenergie umwandeln.

Dieser Artikel stellt Ihnen eine effektive Methode zur Transformation von Emotionen vor: Das 6-Schritte Modell zur Verarbeitung von Emotionen.

Symbolbild - Emotionen verstehen und Verarbeiten

Emotionen – Unser innerer Kompass

Emotionen sind wichtige Signale aus unserem Inneren, die uns darauf hinweisen, was wichtig ist, was weh tut und was Aufmerksamkeit und Sorge braucht. Sie fungieren als innere Signale, die uns durch verschiedene Lebenssituationen leiten – und uns im Umgang mit anderen und in unserer Beziehung zu uns selbst unterstützen.

Emotionen reagieren auf unsere Erfahrungen und haben eine Richtung oder Absicht.

Emotionen sind Reaktionen auf unsere Erfahrungen. Sie haben einen Inhalt, eine Bedeutung, Richtung oder Absicht (sog. „Intentionalität der Emotion“).

Emotionen können sich auf Personen, Beziehungen, Verhalten, Ereignisse, Erinnerungen, Erwartungen oder Objekte beziehen. Sie können die Gegenwart, die Vergangenheit oder die Zukunft betreffen. Sie können auf etwas Reales in der Umgebung gerichtet sein oder darauf reagieren oder auf unsere Gedanken, Erinnerungen oder imaginierten zukünftigen Ereignisse reagieren.

Emotionen informieren uns darüber, was uns wichtig ist und wie sich unser Handeln auf unser Umfeld auswirkt.

Indem wir auf unsere Emotionen achten, gewinnen wir wertvolle Erkenntnisse über unsere Bedürfnisse und Wünsche. Emotionen helfen uns, gesunde Grenzen zu setzen und Entscheidungen zu treffen, die sowohl mit persönlichen Werten als auch mit der Harmonie in Beziehungen im Einklang stehen.

Emotionen sind unser innerer Kompass, der uns durch unser Leben führt

Emotionen sind unser innerer Kompass, für drei wichtige Themenbereiche:

  • Emotionen als Kompass für soziale Beziehungen
    Emotionen helfen uns, soziale Beziehungen zu regulieren. Emotionen treiben unser Verhalten gegenüber anderen an. Wir kommunizieren mit anderen durch nonverbale emotionale Signale – und drücken so unsere Bedürfnisse und Wünsche aus. Emotionen helfen uns, die Perspektive anderer zu verstehen, angemessen auf soziale Signale zu reagieren und gegenseitiges Verständnis zu fördern.
    • Emotionen können beispielsweise Vertrauen und Intimität aufbauen (z. B. Gefühle wie Liebe) oder signalisieren, wann eine Beziehung Aufmerksamkeit benötigt oder unser Verhalten geändert werden muss (z. B. Gefühle wie Scham und Schuldgefühle).
  • Emotionen als Kompass für Bedürfnisse, Motivation und Entscheidungsfindung
    Emotionen bestimmen auch unsere Bedürfnisse, Motivation und Bestrebungen. Emotionen helfen uns im Alltag, uns an unseren Wünschen (hin zur Motivation) und unseren Abneigungen (weg von der Motivation) zu orientieren. So leiten Emotionen unser Verhalten und helfen uns, unsere Bedürfnisse auszudrücken (und anderen zu signalisieren). Sie unterstützen uns bei alltäglichen Entscheidungen und sind ein Kompass für größere Ziele und Bestrebungen.
    • Emotionen wie Freude und Zufriedenheit führen uns zum Wohlbefinden, während Emotionen wie Angst und Ekel uns vor Schmerz schützen. Traurigkeit kann auf Verlust sowie das Bedürfnis nach Trost und Unterstützung hindeuten. Wut kann aufzeigen, wo unsere Grenzen überschritten oder Werte verletzt wurden.
  • Emotionen als Kompass zum Erkennen von Bedrohungen und zur Gefahrenabwehr
    In Bedrohungssituationen reagiert nicht unser rationales Gehirn – es ist unser emotionales System, das einen schnellen Überlebensmechanismus bereitstellt.
    • Emotionen wie Wut und Angst ermöglichen es uns, schnell auf Bedrohungen und Gefahren zu reagieren. Diese Emotionen mobilisieren Energie, um uns energisch zu verteidigen (kämpfen) oder so schnell wie möglich zu entkommen (fliehen).

Indem wir uns auf emotionale Hinweise einstellen, werden wir nicht nur sensibler für das, was unser Körper und unser Geist uns mitteilen, sondern auch für die Gefühlslage anderer. Dieses emotionale Bewusstsein ermöglicht es uns, proaktiv auf unsere Bedürfnisse einzugehen und sie zu befriedigen, während wir gleichzeitig gesündere und authentischere Beziehungen aufbauen können.

Der Einfluß von Emotionen auf unsere innere Welt

Die Entwicklung emotionaler Kompetenz steigert sowohl das persönliche Wohlbefinden als auch unsere Fähigkeit, sinnvoll mit anderen in Kontakt zu treten. Daher ist es wichtig zu verstehen, wie Emotionen entstehen, wie sie mit Gedanken interagieren und wie man mit schwierigen Emotionen umgeht.

Emotionen als unmittelbare Reaktion auf Umweltreize

Wir reagieren auf äußere Ereignisse durch innere emotionale Verarbeitung. Die unbewusste körperliche, emotionale Reaktion ist oft schneller als die bewusste Reaktion. Unbewusste kognitive Prozesse (wie Mustererkennung und Erinnerung an frühere Erfahrungen) können ebenfalls eine Rolle spielen.

Der sensorische Reiz erreicht schnell die emotionalen Zentren unseres Gehirns und löst über das autonome Nervensystem und/oder das damit verbundene Verhalten (einschließlich Mimik und Muskelanspannung) eine emotionale Reaktion aus.

Erst danach bewerten wir die körperliche emotionale Reaktion kognitiv und identifizieren die damit verbundene Emotion. Höhere mentale Prozesse wie bewusste Gedanken, Imagination, innerer Dialog, Interpretation und Bedeutungsgebung setzen ein. Oder wir suchen nach rationalen Gründen für die bereits eingetretene emotionale Reaktion.

Emotionale Reaktionen sind schneller als bewusste Gedanken!

Emotional-kognitive Rückkopplung

Unter normalen Umständen (Abwesenheit eines hohen Maßes an Bedrohung oder Überlebensreaktionen) interpretieren kognitive Prozesse unsere emotionalen Zustände und tragen zu ihnen bei. Dies kann zu einer Feedbackschleife führen.

Gedanken geben unseren Emotionen Sinn und tragen zu emotionalen Zuständen bei.

Einerseits verleihen Information und Kognition unseren Emotionen einen Sinn und ordnen sie in einen entsprechenden Kontext ein. Das Gefühl „Ich bin verliebt“ macht ohne die Information „in wen?“ wenig Sinn. Die Emotion „Ich habe Angst“ geht logischerweise Hand in Hand mit der Information „Wovor?“.

Andererseits können kognitive Prozesse auch dazu beitragen, emotionale Zustände zu erzeugen, zu erhalten und zu verstärken. Wir stellen fest, dass die Erinnerung an die Vergangenheit oder die Vorstellung eines Horrorszenarios für die Zukunft eine emotionale Reaktion auslöst. Dennoch ist es oft schwierig, diese Gedanken absichtlich zu ändern.

Emotionen und Körperempfindungen

Emotionale Reaktionen werden in der Regel von einer autonomen Aktivierung des Nervensystems begleitet. Die daraus resultierenden körperlichen Veränderungen können als Empfindungen im Körper wahrgenommen werden. Angst kann sich beispielsweise in einem Engegefühl in der Brust oder Herzrasen äußern, während Glück ein Gefühl von Wärme oder Leichtigkeit vermitteln kann.

Das Bewusstmachen körperlicher Empfindungen kann uns helfen, Emotionen zu erkennen und unsere emotionalen Zustände zu regulieren. So können wir Emotionen verarbeiten und loslassen.

Die Arbeit mit dem Bewusstsein für Körperempfindungen und der Wahrnehmung körperlicher Signale bildet die Grundlage vieler therapeutischer Praktiken, wie zum Beispiel Somatic Experiencing, Focusing und anderen Achtsamkeitspraktiken.

Das Bewusstsein für Körperempfindungen unterstützt die emotionale Verarbeitung

Unverarbeitete Emotionen

Unterhalb von unproduktiven oder negativen Gedanken liegen oft unverarbeitete Emotionen

Es ist oft schwierig, Gedanken zu ändern, die zu negativen Gefühlszuständen beitragen. Es stellt sich heraus, dass solche Gedanken oft von alten, unverarbeiteten Emotionen getrieben werden. Deshalb ist es wichtig, hier anzusetzen und mit der Verarbeitung von Emotionen zu beginnen.

Unverarbeitete Emotionen können aus ungelösten Situationen und Problemzuständen resultieren und zu diesen beitragen. Sie können auch das Ergebnis unverarbeiteter traumatischer Ereignisse sein.

Wenn Emotionen nicht anerkannt und verarbeitet werden, können sie zu ungesunden Bewältigungsmechanismen, Denkmustern und Verhaltensmustern beitragen. Dies kann im Laufe der Zeit tiefgreifende Auswirkungen auf unsere geistige und körperliche Gesundheit haben kann. Ergebnis können Stress- und Angstzustände, psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder sozialem Rückzug sein.

Verarbeitung & Loslassen von Emotionen

Der Schlüssel zur emotionalen Transformation

Die Schlüssel zur Transformation von Emotionen sind Empfindungen im Körper und Spürbewusstsein

Wenn Emotionen steckenbleiben, keine klare Richtung haben oder wir in negativen Emotionen und Gedanken steckenbleiben (z.B. in Traurigkeit, Scham oder Wut) ist oft ein neuer Ansatz erforderlich:

Eine effektive Veränderung unserer inneren Erfahrung bedarf der Bearbeitung von Emotionen über den Körper. D.h., wir gehen nicht nur “Top-down“ (über die Veränderung der Gedanken) vor, sondern vor allem „Bottom-up“, d.h. über die Verarbeitung von Emotionen und Empfindungen im Körper.

Die Verarbeitung über den Körper ermöglicht es, Emotionen zu erkennen, zu verstehen und auszudrücken. Dies erlaubt es, emotionale Spannungen abzubauen, Einblicke in seine emotionalen Auslöser zu gewinnen und gesündere Wege zur Stressbewältigung und zum Umgang mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu entwickeln. L

Schritte zum emotionalen Loslassen

Die Schritte zur Verarbeitung von Emotionen sind Verlangsamung, Bewusstmachung, Akzeptanz und achtsamer Umgang mit Emotionen und Empfindungen.

  • Voraussetzung ist die Verlangsamung des Erlebens
  • Dann verändere ich den Fokus – ich nehme ich Körperempfindungen als zusätzliche Elemente der innerer Erfahrung ins Bewusstsein. Dies ermöglicht aus dem Gedankenkarussell auszusteigen
  • Dann mache ich mir die unterschiedlichen Elemente meiner inneren Erfahrung bewusst: Spürerleben, Emotion und Gedanken bekommen einen guten Platz.
  • Die Bewusstmachung erfolgt über das verbalisieren und Spezifizieren.
    • Ich beschreibe und benenne die Emotion
    • Ich spezifiziere die Emotion – ich bin genau in der Beschreibung von Auslöser und Richtung der Emotion
  • Veränderung wird ermöglicht durch durch Achtsamkeit und Selbstakzeptanz

Das „Sechs-S-Model“ – 6 Schritte zur Verarbeitung von Emotionen

Die folgenden sechs Schritte helfen dabei, negative Emotionen loszulassen und in produktive Energie umzuwandeln.

1
Slow (Verlangsamen)

Mach langsamer & werde neugierig

2
Spüren

Fokussiere auf Dein Spürbewusstsein

3
Sprechen

Beschreibe die Empfindung & Benenne die Emotion

4
Spezifizieren

Auslöser, Zuordnung & Richtung der Emotion

5
Selbst-Unterstützung

Akzeptiere Dich selbst & Unterstütze Dich mit Selbstmitgefühl

6
Sinnvoll Ausdrücken

Gib der Emotion und Deinen unerfüllten Bedürfnissen einen angemessenen und sozial akzeptablen Ausdruck

Sechs Schritte zur Verarbeitung von Emotionen im Detail

1. Slow (Verlangsamen)

Mach langsamer & werde neugierig:

  • Verlangsame Dein Erleben, um herauszufinden, was passiert!
  • Mach eine Pause zwischen Auslöser (Trigger) und Reaktion. 
  • Werde neugierig, habe die Absicht zu lernen und zu erforschen!

2. Spüren & Wahrnehmen

Fokussiere Dein Aufmerksamkeit auf Dein Spürbewusstsein und bemerke auch andere Wahrnehmungen

  • Bemerke, spüre und erforsche Deine Körperempfindungen und physiologischen Reaktionen
  • Bewege Dich hin zu Körperempfindungen, Emotionen, Gedanken – auch wenn diese unangenehm sind
    • Sinneseindrücke, Empfindungen, Aktivierungsniveau, Spannungsmuster in verschiedenen Körperteilen
  • Bemerke was passiert, wenn es passiert – nimm es bewusst wahr
    • Bemerke parallele / sequenzielle Ereignisse (in den unterschiedlichen Sinnesmodalitäten)
  • Bemerke auch Deine Gedanken und Erinnerungen (falls diese hochkommen)
    • Bemerke innere Bilder, Filme, Selbstgespräche, Töne, Stimmen, Berührungen und Geschmack / Geruch

3. Sprechen

Beschreibe die Empfindung, sprich Deine Gedanken und benenne die Emotion:

  • Beobachte und beschreibe, was passiert (ohne zu werten)
    • Beschreibe Deine inneren Erfahrungen (Körpergefühl, Gedanken, Emotionen) in Worten (sprich aus / innere Stimme / schreibe sie auf).
      • „Ich bemerke…“ (Körpergefühl / wo in deinem Körper)
      • „Ich denke an…“ (Gedanke)
      • „Ich fühle…“ (Emotion)
      • usw.
  • Benennen und beschreiben Sie die Emotion(en)
    • Benenne Deine Emotion / emotionale Erfahrung
    • Um welche der Grundemotionen handelt es sich (z. B. Angst, Wut, Trauer, Überraschung, Ekel, Verachtung, Scham)?
    • Gibt es zusammengesetzte Emotionen?
    • Beschreibe die Emotion präzise!

4. Spezifizieren

Benenne Auslöser, Zuordnung & Richtung der Emotion:

  • Wer oder was hat die Emotion ausgelöst? 
    • Zu wem oder was gehört die Emotion?
    • z.B. Was fürchtest Du?  Wer oder was macht Dich ärgerlich?
  • Wo gehört die Situation hin?  
    • Hier und jetzt und anwesende Personen oder woanders (Vergangenheit / Zukunft / andere Menschen)?
  • Richtung der Emotion: 
    • Richtet sich die Emotion auf andere Menschen oder auf Dich selbst?

5. Selbstunterstützung

Akzeptiere & Unterstütze Dich mit SelbstmitgefühlAkzeptiere, was Du erlebst, und unterstütze Dich selbst, ohne etwas ändern zu wollen:

  • Akzeptieren: Erkenne an, was du gerade fühlst und dass dies in Ordnung ist!
  • In Verbindung gehen: Sage innerlich „Hallo“ zu den Gefühlen und Gedanken
  • Bleibe im Körper: Bleibe eine Weile bei der Körperempfindung und bemerke alle Gedanken, ohne sie festzuhalten.
  • Unterstützte Dich selbst / entwickle Selbstmitgefühl:   Atme in die Körperregion, wo Du die Empfindung spürst. Unterstütze die Empfindung, indem Du eine Hand dorthin legst.  So als ob Du einen Freund unterstützt, indem Du bei ihm bist (da sein, ohne etwas verändern zu wollen)
  • Veränderungen beobachten: Bemerke was passiert (ohne etwas ändern zu wollen)

6. Sinnvoll Ausdrücken

Drücken Sie das unerfüllte Bedürfnis hinter der Emotion angemessen im entsprechenden Kontext / gegenüber den Menschen aus, denen es wichtig ist

  • Seien Sie klar: Machen Sie Ihre eigenen Gefühle deutlich und drücken Sie Ihre Bedürfnisse aus, indem Sie „Ich-Aussagen“ verwenden – stellen Sie sicher, dass Sie gehört werden.
  • Bewahren Sie Ihre Fassung: Kontrollieren und regulieren Sie Ihre eigenen Emotionen, vermeiden Sie Ausbrüche oder übermäßig intensive Äußerungen, die andere überfordern könnten.
  • Seien Sie dem sozialen Kontext angemessen: Passen Sie Ihren Gefühlsausdruck dem sozialen Umfeld an.
  • Respektieren Sie andere: Verurteilen oder beschuldigen Sie andere nicht für vergangenes Fehlverhalten.
  • Nutzen Sie konstruktive Ventile: Lenken Sie Ihre Emotionen in positive und produktive Aktivitäten, knüpfen Sie Kontakte zu anderen Menschen, betätigen Sie sich körperlich oder erledigen Sie einfach die anstehende Aufgabe.